von Dr. Sven Reißig
B.L.U.T. – D.N.F.
„B.L.U.T. – Schweiß und keine Tränen – Bleiloch Ultra Trail“ steht als Motto auf dem Band der Medaille! Martialische Sprüche sind wohl ein Markenzeichen der Trailläufer.
So fühlt sich also ein DNF – „Did Not Finish“ an! Das erste Mal! Cut off Zeit nicht geschafft und somit nach 73,6 km raus.
Aber erst mal die Vorgeschichte. Zum ersten Mal wollte der Veranstalter es ermöglichen, den gesamten Bleiloch-Stausee zu umrunden. Im Frühjahr findet ja schon der Bleilochlauf statt, der auf den Strecken von 12 km, 24 km und 48 km Laufen um den Stausee bietet. Mit einer Saalekreis-Auswahl ging es in diesem April an den Bleilochstausee zum „Klassentreffen“ der Trailläufer. Wir hatten uns kurzfristig verabredet und wollten die „Traditionsvereine“ SV 1885 Teutschenthal e.V., SV Friesen Frankleben 1887 e.V. und SV 1916 Beuna e.V., die zusammen über 369 Jahre Sporterfahrung verfügen, gemeinsam vertreten. Dort schwirrte schon das Gerücht für eine komplette Runde. Als dann die Ausschreibung zum 1. Bleiloch Ultra Trail erschien, war die Anmeldung schnell erledigt. Auf unseren Teutschenthaler Läufer mussten wir diesmal allerdings verzichten, so dass nur Steven und ich dieses Abenteuer wagen wollten. Laut erster Ausschreibung sollten es 80 km in 13 Stunden sein. Machbar. Bis zur Veröffentlichung des Streckenverlaufes sollten es dann 85 km mit 2370 Höhenmetern werden.
Samstag 5.10.2019 – 7 Uhr. Wir stehen an der Startlinie und es geht los. Gerade haben wir noch im letzten Briefing die Streckenänderungen erfahren. Forstwirtschaft und Wetter haben einige Strecken unpassierbar gemacht. Wir sind mit GPS-Trackern ausgestattet worden und werden vom Veranstalter „überwacht“. Sollten wir von der Strecke abkommen werden wir angerufen und zurück gelotst. Auch weis die Organisation so, wer gerade noch wo unterwegs ist. Das Wetter ist durchwachsen – für den ganzen Tag ist leichter Regen angesagt. Es geht über den Radweg in den Wald. Ich lasse es langsam angehen und reihe mich ganz hinten ein. Es ist ja genug Zeit.
Und dann geht es in den Wald. Alles laufbar. Nach wenigen Kilometern hat sich das übersichtliche Starterfeld aufgeteilt. Und dann kommt es! War ich noch davon ausgegangen, dass es wie beim Bleilochlauf doch eher ein schöner Landschaftslauf wird, zeigen uns die Thüringer, was geht! Ich glaube sie haben bei der Streckenauswahl wirklich jeden schönen Fleck und jeden versteckten Trail zeigen wollen. Da geht es über handtuchbreite Steige, steil rauf, steil runter, über oder unter umgefallenen Bäumen, über Geröllstrecken und durch die Reste, die die „Harvester“ – die „Walderntemaschinen“ – übrig gelassen haben. Sicherlich ein Heidenspaß – aber für mich eine echte Herausforderung. Immer wieder verlassen wir die Waldwege und dann geht durchs Gehölz, auf Pfaden, die ich als solche nicht erkannt hätte. An ein paar Stellen so steil, dass ich im ersten Anlauf nicht hoch komme. Dann muss ich schon mal krabbeln oder mich an Bäumen hochziehen. Ständig lugt der Stausee durch die Bäume. Richtig genießen kann ich die wunderschönen Ausblicke nicht, da ich mich sehr stark konzentrieren muss. Außerdem wird die Zeit langsam knapp. Ich brauche bis zu 14 Minuten pro Kilometer. Nach 30 km wird es echt zäh und wenn das so weitergeht komme ich noch nicht mal bis zum letzten Verpflegungspunkt. Ab etwa km 45 wird es wieder für mich laufbar. Wir sind auf der Strecke des Bleilochlaufs. Nur noch 26 km bis zum letzten VP. Den muss ich bis 18 Uhr passiert haben. Irgendwie klappt es aber nicht so richtig.
Kurz vor 17 Uhr bin ich am vorletzten Verpflegungspunkt. Lt. meiner Rechnung etwas über 8 km bis zum Cut Off. In einer Stunde nicht zu schaffen. Hier sind noch einige Höhenmeter versteckt. Eigentlich habe ich hier schon alles abgehakt. Ein Streckenposten meint: „Ne – noch 6,5 km!“. OK – das würde gehen. Also los – ich lasse meine Laufpartner der letzten Stunden hinter mir und „ballere“ los. Naja – was so ballern ist nach über 60 km. Aber es läuft. Den wunderschönen, handtuchbreiten Weg am Hang verfluche ich, weil ich mich nicht traue hier schnell zu laufen. Auch der Gedanke, dass, wenn ich hier herunterfallen würde, ich mich ja die Saale abwärts bis Bad Dürrenberg treiben lassen könnte, tröstet mich jetzt nicht. Über die Holzbrücke Richtung Burgk – dann geht es steil hoch zur Burgk. Man hat für die Strecke nicht den „normalen“ Weg ausgesucht sondern die direkte Verbindung gewählt. Ich kann das Schloss schon sehen, das schlägt die Turmuhr dreiviertel. Das macht Mut. Beim Bleilochlauf ist dort ein Verpflegungspunkt – das würde mit 6,5 km ungefähr hinhauen. Ich laufe durch den Schlosshof – nix. Naja noch ist Zeit – vielleicht kommt er ja gleich. Es geht den wunderschönen Röhrensteig entlang – kenne ich vom Bleichlauf im Frühjahr. Ich schaue aber nur auf meine Uhr. Runter über eine Wiese – da ist nix! Weiter! Es geht bergab Richtung Staumauer. Ich kann das Auto der Wasserrettung sehen – und die Glocken hören die 18 Uhr verkünden. Vorbei! 400m bergab – 3 Minuten! Ich bleibe stehen, mache ein Foto und wandere zum VP. So richtige Enttäuschung will sich allerdings nicht einstellen. Meine Mitstreiter der letzten Stunden kommen an mir vorbei gestürmt und wollen mit Engelszungen ein Weiterlaufen erreichen. Als ich dazukomme ist die Diskussion mit den Streckenposten schon beendet. Wir schwatzen noch, essen etwas und steigen ins Auto.
Am Zielort müssen wir dann noch über die Ziellinie. Steif von der Autofahrt wollen wir uns eigentlich heimlich vorbei schleichen. Nix da! Wir werden beglückwünscht und bedauert. Sogar die Finisher-Medaillen werden uns noch übergeben – unverdient wie ich finde.
Frisch geduscht und gesättigt kann ich unseren Friesen-Sportfreund Steven begrüßen. Er hat es geschafft innerhalb der Zeit zu bleiben und hat damit seine Steher-Qualitäten bewiesen.
Fazit: Was für ein Spaß!
Was ich vorgefunden habe war eine spannende, eindrucksvolle, landschaftlich wunderschöne, abwechslungsreiche Strecke, die ich allerdings total unterschätzt hatte. Ich glaube hier waren echte Kenner der Gegend und echte Laufenthusiasten am Werk. War ich von einem verlängerten Bleilochlauf ausgegangen – der technische Anspruch war aber deutlich höher. Die recht hohe DNF-Quote von über 20% zeigt, dass ich da wohl nicht ganz alleine war. Kaum jemand von denen, die regulär ins Ziel kamen, hatte wohl mit so langen Zeiten gerechnet.
Die hervorragende Ausschilderung, die Überwachung mit Tracker, das coole Shirt und der Verzicht auf Plastikbecher haben mir organisatorisch besonders gut gefallen. Während man uns mit unseren roten Plastiktassen, die am Rucksack baumeln, vor wenigen Jahren noch belächelt hat scheint sich die Idee langsam durchzusetzen. Durch den vorab bereit gestellten Streckenverlauf, den ich mir auf die Uhr geladen hatte, war es für mich noch leichter, den Weg zu finden.
Jetzt steht also ein Rucksack in Kloster/Saalburg! Mit dem B.L.U.T. habe ich noch eine Rechnung offen! Ich hoffe die Veranstalter wagen es noch einmal, damit ich wieder an den Start gehen kann – solange bis kein DNF in der Liste steht!
p.s.
Das Wichtigste habe ich glatt vergessen! Vielen lieben Dank allen Veranstaltern, Helfern und Beteiligten!